Berlin – Kleidung haben die Menschen in Deutschland oft im Überfluss. «Unsere Kleiderschränke sind schon relativ voll», sagt Handelsexperte Martin Fassnacht von der WHU Otto Beisheim School of Management. Online-Shops lassen sich deswegen einiges einfallen, damit Kunden Geld bei ihnen lassen.

Das extralange Rückgaberecht: Die Hose könnte ich noch 98 Tage zurückschicken? Einige Händler werben online mit der langen Rückgabe für ungetragene Kleidung. Das sei eine Möglichkeit, die Scheu der Menschen vorm Online-Kauf zu überwinden, erklärt Marketingexperte
Florian Stahl von der Universität Mannheim. Und für die Textilbranche wird das Online-Geschäft wichtiger, fast jeder fünfte Euro im Bereich Fashion und Lifestyle wurde nach Angaben des Handelsverbands Deutschland 2015 online umgesetzt. Das Rückgaberecht sei quasi eine «erweiterte Umkleidekabine», erklärt auch Fassnacht.

Der Kniff mit Empfehlungen: Häufig surfen Kunden durch den Shop – und im virtuellen Warenkorb landen mehr Artikel als vorgesehen. Händler arbeiten dabei auch mit Empfehlungen – und schlagen ähnliche Produkte vor. Sie nutzen die Daten, die wir im Netz hinterlassen. Und plötzlich wird uns auch auf anderen Seiten die passende Werbung angeboten. Auch bei Retouren fragen Unternehmen häufig, warum Kunden etwas zurückschicken. Solche Daten werden nach Angaben Stahls auch genutzt, um den Kunden besser kennenzulernen.

Erzähl eine Geschichte: Im Laden soll Kleidung gut wirken und wird entsprechend präsentiert – das passiert auch online, mit Bildern und Videos. Einkaufsseiten bieten Blogs, Tipps und Szene-Geschichten. Manche versuchen, Exklusivität mit Clubs zu fördern. «Geschichten um Kleidung, das kann man online gut machen», erklärt Handelsforscher
Fassnacht. Auch über soziale Medien wie Facebook und Instagram wird Kleidung vermarktet. «Der Weg von Facebook zum Verkauf ist aber nach wie vor ein langer Weg», sagt Fassnacht.

Die Sache mit dem Gutscheinfeld: Denn vieles von dem, was Menschen in den Warenkorb legen, kaufen sie am Ende nicht unbedingt. Unternehmen probieren daher mittels Marktforschung aus, wann Kunden tatsächlich auf «bestellen» klicken. Ein Klassiker sei das Gutscheinfeld, sagt Marketingexperte Stahl. Wenn vor dem Bezahlen ein Feld für einen Gutscheincode stehe, führe das zu höheren Abbruchquoten – «weil die meisten Leute dann das Gefühl haben: «Oh, ich zahle vielleicht zu viel, weil ich keinen Gutschein zur Hand habe»». Das Feld ein wenig zu verstecken, könnte Verkäufe fördern.

Der Größen-Assistent: Online-Einkäufe haben einen Nachteil: Man kann die Stücke nicht sofort anprobieren. Und wer mehrere Größen bestellt, beschert Unternehmen teure Retouren. Die Anbieter versuchen deswegen, Kunden die richtige Größe zu empfehlen. Start-ups wie Fit Analytics aus Berlin wollen dafür Tools an die Händler verkaufen. Denkbar ist auch, künftig über Virtual-Reality-Brillen einkaufen zu gehen. «Unser ganzes Einkaufsverhalten wird virtueller werden», sagt Fassnacht. Könnten solche Brillen irgendwann Läden ablösen? Es werde eine kleine Gruppe von Menschen dafür geben, sagt auch Stahl. «Ich würde nicht behaupten, dass das die große, große Mehrheit sein wird.»

Kaufen im Pack: Seiten wie
Outfittery und
Modomoto werben damit, dass Männer ganze Outfits bekommen. Mit Fragen wie «Wie alt fühlen sie sich?» sollen die Herren online beraten werden, nach Hause kommt gleich ein Koffer mit Outfits. Die Hoffnung: Man kauft Dinge mit, die man einzeln im Laden vielleicht nicht ausgesucht hätte, wie Stahl erklärt. Die Idee des «Bundling» (Bündeln) findet man auch in anderer Form – etwa bei Anbietern von Socken-Abonnements.

Sonntagsvorteil und Schnäppcheneffekt: Am Feiertag auf dem Sofa liegen und zum Kakao noch ein bisschen shoppen? Das geht online, in Fußgängerzonen nicht. «Sie müssen sich überlegen: Wann haben die Leute Zeit? Vor allem abends und am Wochenende», sagt Fassnacht. «Wir verbringen viel Zeit am Rechner, am Tablet, mit Smartphones.» Hier haben Online-Händler einen Vorteil. Und sie nutzen generell auch den Schnäppchen-Effekt – etwa mit dem Eindruck, dass Angebote einmalig sind. «Die spielen natürlich mit unserer Psychologie», sagt Stahl. Da ist das Geschäft online dann nicht anders als der Laden um die Ecke.

Fotocredits: Jens Kalaene
(dpa)

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