Mailand – Mit ihm ging nicht der letzte ganz große Modemacher. Damit würde man zum Beispiel Giorgio Armani und Vivienne Westwood unrecht tun. Aber Karl Lagerfeld stand für einen Typus Designer, der eigentlich nur noch durch ihn lebte: der große Meister. Das Genie. Kaiser Karl.

Dass diese Spezies überholt ist, hat viele Ursachen. So wie die Welt im Allgemeinen, ist auch die der Mode komplexer geworden. Der Designer ist nicht mehr ihr Zentrum, um den alle anderen kreisen. Mit ihm konkurrieren: die Mega-Models wie aktuell die Hadid-Schwestern. Die Stars der Rap- und Popwelt mit eigenen Modelabels. Und jetzt auch noch die Influencer mit ihren Inszenierungen auf Instagram & Co. Alle profitieren wechselseitig voneinander und nicht immer ist eindeutig, wer von wem zuerst.

Man muss schon Brancheninsider sein, um die aktuellen Topdesigner überhaupt noch zu kennen. Drei Beispiele: Riccardo Tisci, Demna Gvasalia und Hedi Slimane. Wer schafft es, diesen Namen Gesichter zuzuordnen? Oder weiß, bei welchem Label sie gerade arbeiten? Der Mythos Designer bröckelt aber auch deshalb, weil die Zeiten längst vorbei sind, dass ihre Ideen als Befehl verstanden werden. «Heute läuft es im Prinzip andersrum. Der Designer muss erkennen, was die Konsumenten wollen. Er muss ein Gespür für die Zielgruppe haben», erklärt Silke Emig, Ressortleiterin «Women’s Wear» beim Fachmagazin «TextilWirtschaft». Das klingt nach Degradierung zum Dienstleister.

Und schon baut sich das nächste Problem auf. In der Mode dreht sich immer alles um die Jugend. Aktuell also um die Millennials, die um die Jahrtausendwende Geborenen. Und die gelten als sehr sprunghaft. Markentreue? Nur so lange ein Hype anhält. Die Folge: Kreativdirektoren werden sofort ausgetauscht, wenn sie keine neuen Reize mehr setzen können. Keine Chance eine eigene Handschrift zu entwickeln, seinen Namen mit einem Label dauerhaft zu verknüpfen. So wie es Karl Lagerfeld noch gelang.

Seit 1965 war er der kreative Kopf von Fendi. Mehr als drei Jahrzehnte prägte er die Geschicke von Chanel. Eher unwahrscheinlich, dass sich solche Langzeitbeziehungen heute wiederholen lassen. «Der Druck zum wirtschaftlichen Erfolg wird immer größer. Die Geschäftsführer legen im Vorfeld Umsatzziele fest. Und an der Erfüllung muss sich der Kreative messen lassen», analysiert Silke Emig.

Gucci erlebt gerade einen solchen Hype, entfacht durch Alessandro Michele. Er elektrisiert vor allem die Jungen mit seinen alle Geschlechter- und Kulturgrenzen überspringenden Entwürfen. Ihm sei aber bewusst, sagte er im vergangenen Jahr in einem Interview, dass man ihn sofort fallen lässt, wenn er die Erwartungen nicht mehr erfüllt.

Ohnehin stellt sich gerade die Frage: Braucht man überhaupt noch einen Designer? Für den reinen Entwurf schon, aber auf dem Posten des Kreativdirektors oder wie es inzwischen auch gern heißt: Künstlerischen Leiters? Die Person also, die dem Label eine Vision gibt und es nach außen hin repräsentiert.

Louis Vuitton hat im vergangenen Jahr Virgil Abloh zum Kreativchef der Männerlinie ernannt. Er stammt aus dem Umfeld des Rappers Kanye West, hat nie Mode studiert, aber dennoch ein eigenes Label (Off-White) geschaffen. Die Entscheidung führte zu hitzigen Debatten. Doch dahinter steckt eben auch ein demokratischer Ansatz von Modemachen. Es ist Teamarbeit. Abloh bringt seine enge Verlinkung zur Musikwelt, sein Gespür für den Puls der Zeit ein. Um die Ausarbeitung der einzelnen Modelle kümmern sich dann andere. Das war auch schon früher so, nur wird es heute offener kommuniziert.

Karl Lagerfeld hat es stets verstanden, den traditionellen Modeschöpfer, der er war, mit den modernen Mechanismen der Branche in Einklang zu bringen. Bei aller Exzentrik und Genialität lag womöglich vor allem darin seine Einzigartigkeit.

Fotocredits: Ian Langsdon
(dpa)

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